Sehr geehrter Herr Demirel, Sie als Autor leben hier in Münster schon seit 34 Jahren. Was ist das Besondere an Münster?
Molla Demirel: Münster ist eine sehr schöne, historische Stadt. In Münster leben über 55000 Studenten von allen Hochschulen. 160 verschiedene Nationalitäten mit unterschiedlichen Kulturen und Konfessionen leben hier zusammen. Insbesondere die Universität Münster ist weltweit bekannt. Deswegen kommen jedes Jahr ein paar Tausend Studenten aus allen Ländern hier her. Nach ihrem Studium gehen sie meistens wieder zurück in ihr Land oder machen in einem anderem Land Karriere.
Mit dieser Situation ist die Stadt Münster tatsächlich eine besondere Kultur- Mosaik-Stadt in Europa.
Doch letzten Samstag war hier in Münster eine rechtsradikale Demonstration, wie passt das zusammen?
Molla Demirel: Natürlich weiß der Oberbürgermeister der Stadt Münster Herr Dr. Tillmann um diese besondere Situation. Deswegen hat er sich mit diversen Gruppen (Kirchen, Gewerkschaften, Ausländerbeiräte, Vereine) gegen die Neonazi-Demonstration zusammen getan und mit diesen Organisationen gemeinsam vorbereitet.
Warum wurde die Neonazi-Demonstration hier zugelassen?
Molla Demirel: Natürlich ist im Grundgesetz eine Meinungs- und Versammlungsfreiheit fest geschrieben. Deswegen kann eine Genehmigung erfolgen. Aber was eigentlich noch viel wichtiger ist, am Tag der Demonstration lief Herr OB Dr. Tillmann als einer der Ersten gegen die Neonazis!
Mit seinen Verkündigungen, mit seinen Aktionen hat er uns gezeigt, dass er eine demokratische Person ist und als Oberbürgermeister einem europäischen Kulturzentrum wie die Stadt Münster, würdig ist. Mit seiner demokratischen Haltung hat er Terror, Hass und Chaos zwischen den verschiedenen Kulturkreisen verhindert. Er hat damit gleichzeitig für viele andere Städte, Länder und der ganzen Welt eine Botschaft für den Frieden gesetzt, wie man gegen die Neonationalisten und Terrorgruppen mit Ruhe und Bewusstsein reagieren kann.
Wie war die Reaktion der Münsteraner?
Molla Demirel: Die Gegendemonstranten der Neonazis, haben sich nicht nur in den Straßen versammelt. Gleichzeitig haben sie ihre Türen und Fenstern geöffnet, Parolen gerufen und internationale Friedenslieder über den Lautsprecher ertönen lassen, Transparente und Flaggen an Häuserwänden, zwischen Laternen und Bäumen aufgehängt. Damit hat die Bevölkerung Münsters gezeigt, dass sie keine Angst vor Neonazis hat und gleichzeitig Neonazis in Münster keinen Platz für ihre Ideologien finden können. Diese massive Gegendemonstrationen der Bürger von Münster, haben keine Chance gelassen, diese hasserfüllten Provokationen der Neonazis und radikalen Gruppen gegen Frieden und Freundschaft, zu ermöglichen.
Würden Sie sagen, die Neonazis haben ihr Ziel nicht erreichen können?
Molla Demirel: Durch den Oberbürgermeister der Stadt Münster, seine demokratische Haltung hat der Stadt Frieden und Nachbarschaft in ruhiger Atmosphäre gezeigt.
Sowieso von ganz NRW haben sich ca.150 Neonazis versammelt und konnten nur ca. 200 m weit kommen.
Wie war die politische Haltung der Neonazi-Demo über Münster hinaus?
Molla Demirel: Natürlich wäre es schön gewesen, wenn gleichzeitig mit dem OB Dr. Tillmann die Landes- und Bundesabgeordneten ihre Sensibilität gezeigt hätten.
Leider haben aber, so einer vielfältigen Kulturstadt, die Vertreter von Landes- und Bundesabgeordneten unserem Oberbürgermeister diese Sensibilität nicht gezeigt. Dies glaube nicht nur ich, sondern dies ist die Meinung oder der Wunsch aller, die sich für Kunst und Kultur engagieren, alle Demokraten, Humanisten und Kriegsgegner.
Was haben die Migranten in dieser Stadt von dieser Aktion gehalten?
Molla Demirel: Wenn ich an mich selbst denke, ich komme aus der Türkei. Aber meine Kinder sind hier geboren, hier groß geworden, sie sind Münsteraner. Sie wollen mit ihrer eigenen Generation und den Kindern der nachfolgenden Generationen auf dieser Erde friedlich zusammen leben.
Diese Aktion hat uns gezeigt, wenn die ganzen Politiker in den Bundesländern, wie Oberbürgermeister Dr. Tillmann sich gegen Provokateure, Rechtradikale und Fundamentalisten für Demokratie und Frieden und für das Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen einsetzen, werden sie in dieser Gesellschaft keinen Platz finden.
Heute wie früher, werden Deutsche und Nichtdeutsche Hand in Hand arbeiten, zusammen leben, und dieses Land weiter entwickeln.
27.02.06
S.Angelbeck
Veröffentlich: Die Brücke, Forum für Antirassistische Politik und Kultur
Nr.3/XXV Jahrgang, Nr. 240. Juli-Sept. 2006